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Indien 1: Zwischen Moscheenhof und Metrostation

Das Kapuzinerkloster Wesemlin in Luzern bietet diesen Herbst eine Indien-Reise an - der Guardian Bruder George stammt selber aus Indien. In loser Folge werden hier Erfahrungen und Erkenntnisse dieser Gruppenreise publiziert (vgl. auch):

Delhi ist kein blosses Reiseziel – es ist ein Erlebnis, das die Seele herausfordert. Diese Stadt vereint die Pracht Roms, die Dynamik Berlins und den Zauber Marrakeschs in einer einzigartigen Melange. Sie pulsiert in Schichten: Neu-Delhi mit seinen breiten Boulevards strahlt koloniale Ordnung aus, während Old Delhi in engen Gassen ein Kaleidoskop aus Düften, Farben und Geschichten entfaltet. Unsere Gruppenreise, organisiert vom Kapuzinerkloster Wesemlin, führte uns direkt in dieses lebendige Gefüge. Trotz Flugverspätung und Verkehrschaos landeten wir sicher – bereit, uns von Indiens Hauptstadt überwältigen zu lassen.

Die Metro Delhis verbindet Welten, die sich sonst selten berühren. Für einige ist sie ein alltäglicher Weg zur Arbeit, für andere eine Pilgerfahrt zu heiligen Stätten. Ein einheitliches Ticket vereint Pendler und Reisende, doch jede Fahrt trägt eine individuelle Geschichte. In dieser Urbanität spiegelt sich das Leben selbst: Gemeinsame Räume, unterschiedliche Narrative. Delhi lehrt, dass Zusammenleben nicht Gleichmacherei bedeutet, sondern Vielfalt in Harmonie.

Die Gegensätze der Stadt faszinieren. Auf Connaught Place eilen Bürokraten durch moderne Fassaden, während in Chandni Chowk Gewürzhändler ihre Säcke durch enge Gassen schleppen. Beide Welten koexistieren in einer Stadt, die Ordnung und Chaos gleichermassen umarmt. Diese Dualität ist ein Spiegel für unsere innere Suche. Wie Delhi tragen wir Klarheit und Wirrwarr, Tradition und Wandel in uns. Die Stadt zeigt: Identität entsteht durch Integration, nicht durch Ausgrenzung.

Unsere Reise begann mit einem Eintauchen in dieses urbane Labor. Delhi fordert auf, starre Vorstellungen von Schönheit, Sinn und Ordnung zu hinterfragen. Es lädt ein, Spiritualität nicht im Rückzug, sondern im lebendigen Miteinander zu finden. Der Lärm der Märkte, die Stille in den Moscheenhöfen – beides formt einen Raum für Erkenntnis. Hier wird das Fremde zum Spiegel des Eigenen.

Die spirituelle Tiefe Delhis liegt in seiner Fähigkeit, Gegensätze zu vereinen. Geschichte und Moderne, Glaube und Alltag verschmelzen in einem Atemzug. Die Stadt ist ein Mosaik, das nicht durch Uniformität, sondern durch Vielfalt besticht. Jede Begegnung, jeder Moment in den Gassen oder in der Metro ist eine Einladung, das Leben neu zu sehen. Delhi fragt nicht nach unserer Bereitschaft – es überrollt uns mit Eindrücken.

Unsere Gruppe spürte diese Energie vom ersten Tag an. Der Verkehr, die Farben, die Klänge – alles war eine Aufforderung, loszulassen. Indien wartet nicht, bis wir bereit sind; es fordert uns heraus, im Hier und Jetzt zu sein. Diese Unmittelbarkeit ist Delhis Geschenk: die Chance, uns selbst in der Fremde zu entdecken. Die Stadt zeigt, dass Spiritualität im Gewimmel des Lebens pulsiert.

Am Ende bleibt ein Gedanke haften: Urbanität ist mehr als Stein und Beton. Delhi lebt durch seine Menschen, ihre Geschichten und Begegnungen. Es lehrt uns, dass Zusammenleben gelingt, wenn Vielfalt gefeiert wird. Diese Stadt ist ein spirituelles Experiment, das uns einlädt, mit offenen Augen und Herzen zu reisen. Delhi ist nicht nur ein Ort – es ist eine Einladung, die Welt und uns selbst neu zu verstehen.

- bruder george

Indien 1: Zwischen Moscheenhof und Metrostation