Zum Hauptinhalt springen

Indien 3: Fatehpur Sikri

Das Kapuzinerkloster Wesemlin in Luzern bietet diesen Herbst eine Indien-Reise an - der Guardian Bruder George stammt selber aus Indien. In loser Folge werden hier Erfahrungen und Erkenntnisse dieser Gruppenreise publiziert: Die Abendsonne taucht Fatehpur Sikri in ein warmes Rot, als würde sie die Erinnerung an eine Vision beleuchten, die einst in Stein gemeisselt wurde. Die verlassene Palaststadt wirkt nicht wie ein Ort der Vergangenheit, sondern wie ein Denkmal einer Idee, die ihrer Zeit voraus war.

Mein Weg durch das Sandsteinlabyrinth gleicht einer stillen Pilgerreise zu den Träumen eines Herrschers, der mehr wollte als Macht. Im Zentrum dieser Stadt erhebt sich der Diwan-i-Khas – keine gewöhnliche Audienzhalle, sondern ein architektonisches Symbol für geistige Offenheit. Der zentrale Pfeiler, von vier Stegen durchzogen, scheint weniger ein Thron als ein Denkmal für Akbars universalen Anspruch zu sein. Hier, auf erhöhter Plattform, soll der Kaiser gesessen haben – verbunden mit allen Himmelsrichtungen, als wollte er die Welt umarmen.

In unmittelbarer Nähe stehen drei Residenzen, die mehr erzählen als jede Chronik. Sie gehören Akbars Hauptfrauen: einer hinduistischen Rajputen-Prinzessin, einer muslimischen Adligen und einer christlichen Frau aus Goa. Jede dieser Bauten spricht in der Sprache ihrer Religion – architektonisch, symbolisch, respektvoll. Hinduistische Lotuskapitelle, islamische Jali-Gitter und christliche Rosetten verschmelzen zu einem Dialog aus Stein. Diese Häuser sind keine Wohnstätten, sondern Allegorien eines interreligiösen Miteinanders. Akbar baute nicht nur für seine Familie, sondern für eine Idee, die Grenzen sprengen wollte.

Im Diwan-i-Khas entstand auch Din-i Ilahi – eine synkretistische Religion, die Islam, Hinduismus, Christentum und Zoroastrismus vereinen sollte. Es war kein naiver Versuch, sondern ein intellektuelles Experiment, gespeist aus Neugier und Hoffnung. Akbar war abergläubisch, aber auch wissbegierig – ein ungewöhnlicher Spagat, der sich in der Architektur widerspiegelt. Fatehpur Sikri wurde zum Labor für religiöse Verständigung, zum Forum für Philosophen, Mystiker und Theologen. Die Ämter seines Reiches standen allen Glaubensrichtungen offen – eine politische Realität, die sich in Stein verewigte.

Eine lokale Führerin erzählt mit leiser Begeisterung, dass ihre Familie seit Generationen hier lebt. „Der Grosse träumte nicht nur von Einheit“, sagt sie, „er baute ihr ein Zuhause.“ Der Brunnen mag versiegt sein, doch die Idee sprudelt weiter. In der Stille der Höfe scheint das Echo der Dispute noch nachzuklingen. Fatehpur Sikri ist keine tote Stadt – sie ist ein Gedächtnis. Ein Gedächtnis an einen Herrscher, der fragte, statt zu befehlen. Der verband, statt zu trennen.

Was wäre möglich, wenn heutige Politik auf Neugier statt auf Abgrenzung basierte? Wenn Macht nicht spaltete, sondern vereinte? Fatehpur Sikri stellt diese Frage – leise, aber eindringlich. Die Stadt lädt ein, einen unterbrochenen Gedanken wieder aufzunehmen. Sie ist nicht nur ein Ort, sondern ein steinernes Manifest der Toleranz. Und während ich die Schatten der drei Häuser betrachte, spüre ich: Hier wurde Hoffnung gemeisselt.

  • bruder george

Weitere Bilder hier

Indien 3: Fatehpur Sikri