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Indien 5: Elefanten-Segen

Andere Kulturen und Religionen kennen andere Sitten. Das bedeutet beispielsweise auch unterschidliche Tier-Beziehungen. In Jaipur begegnet die Luzerner Kloster-Reisegruppe einem Kamel, das nicht etwa Lasten trug, sondern stolz geschmückt vor einem Geschäft stand – ein Statussymbol mit Seele. Sein Besitzer erklärte, dass das Tier Teil der Familie sei, ein Ausdruck regionaler Identität und Stolz.

Die Kühe, die gemächlich durch den Verkehr schreiten, wirken wie sanftmütige Philosophen – sie sind nicht nur heilig, sondern auch soziale Akteure. Ihre Präsenz ist eine gelebte Form hinduistischer Kosmologie, sichtbar im urbanen Alltag. In Kerala hingegen stellten unsere Mitreisenden immer wieder die Frage: „Wo sind denn die Kühe?“ Die Antwort liegt in regionalen Unterschieden – gesetzliche Rahmenbedingungen und kulturelle Praktiken formen das Strassenbild.

In Trivandrum etwa begegneten wir einem Tempel-Elefanten, der täglich gesegnet wird und selbst zum Segnenden wird. Ein Mitreisender meinte schmunzelnd: „In der Schweiz segnet der Priester – hier segnet der Elefant.“ Diese Begegnung war nicht nur eindrücklich, sondern auch tief spirituell.

Pfauen, die durch Gärten stolzieren, erinnern an Models auf dem Laufsteg – ihr Radschlag ist ein Schauspiel der Natur. In Kanyakumari sahen wir einen Pfau, der sich wie ein eingebildeter Gastgeber aufführte – ein lebendiges Kulturerbe.

Affen in Tempelanlagen sind freche Mitbewohner, die Opfergaben stehlen und Touristen mit listigem Blick mustern. Ein Rhesusaffe schnappte ein Tourist ein Sandwich – ein Moment zwischen Belustigung und Staunen.

Papageien auf Balkonen plappern mit Kindern – sie sind Gesprächspartner und farbenfrohe Dekoration zugleich.
Ziegen mit Namen wie „Lakshmi“ oder „Raju“ begegneten uns in ländlichen Haushalten – sie sind mehr als Nutztiere, sie sind Familienmitglieder.

Hühner krähen nicht nur am Morgen, sondern auch mitten in der Nacht – sie sind die unermüdlichen Wecker der Dörfer.

Diese tierischen Mitbewohner fordern unseren westlichen Blick heraus. Sie sind weder ganz wild noch ganz zahm – sie sind spirituelle Wesen, ökonomische Ressourcen und emotionale Gefährten zugleich. Die scheinbare Unordnung offenbart bei genauerem Hinsehen eine tief verwurzelte kulturelle Logik. Es ist eine stille Übereinkunft zwischen Mensch und Tier, die das Soziale mit dem Spirituellen verwebt.

Unsere Gruppe stellte viele Fragen, staunte oft und lernte, die Dinge anders zu sehen. Ein Teilnehmer sagte: „Ich dachte, ich komme wegen der Tempel – aber ich bleibe wegen der Tiere.“ Indien lehrt uns, dass Haustiere nicht nur im Haus leben, sondern auch im Herzen der Gesellschaft. Sie sind frei, respektiert und integriert – Teil eines lebendigen kulturellen Ökosystems.

Die Strassen Indiens sind ein Museum der Tier-Mensch-Beziehung, offen, laut und voller Geschichten. Und während ein Hund in Zürich brav auf sein Futter wartet, teilt hier ein Affe seine Mango mit einem Kind. Diese Reise hat uns nicht nur geografisch, sondern auch kulturell bewegt – und vielleicht auch ein wenig verändert.

  • Ein Reisebericht aus Indien von bruder george

Weitere Reiseberichte der Luzerner Klosterreise nach Indien finden sich bei der Klosterhomepage vom Wesemlin

Indien 5: Elefanten-Segen